Es ist eine seit langem übliche Praxis in Forstwirtschaft, Fischerei und allgemeinem Wildtiermanagement, Wildtierbestände gezielt aufzustocken. In den letzten ca. zehn Jahren haben aber solche Programme Aufmerksamkeit erregt, in denen lokale Bestände von Tierarten mit Individuen der gleichen Art, aber aus anderen Regionen und damit potentiell nicht-nativen Genomen aufgestockt wurden. Die Stockente Anas platyrhynchos ist ein geeignetes Modell um die genetischen Effekte solcher großskaligen Freisetzungen auf den einheimischen Genpool zu untersuchen, weil sie die am weitesten verbreitete und zahlreichste Entenart der Welt ist, über weite Strecken migrieren kann und gleichzeitig global das wichtigste Federwild darstellt. In vielen europäischen Ländern wird die Stockente seit etwa den frühen 1970er Jahren auch auf speziellen Farmen gezüchtet und zu Jagdzwecken ausgesetzt. So gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass jährlich etwa drei Millionen junge Enten nur zum Zweck der Aufstockung zur Jagd an europäischen Gewässern ausgesetzt werden. Die Ziele unserer Studie waren herauszufinden, ob sich Enten von Farmpopulationen genetisch von wilden Enten unterscheiden lassen, ob es Anzeichen früherer oder anhaltender genetischer Introgression zwischen diesen beiden Gruppen gibt und ob sich die genetische Struktur der wilden Entenpopulationen seit der großskaligen Entenaufstockung verändert hat. Dazu verwendeten wir 360 SNP Marker (Single Nucleotide Polymorhpism) um die genetische Struktur von historischen wilden Stockenten (Museumsproben), zeitgenössischen wilden Stockenten und Farm-Enten zu vergleichen (N = 591). Wir fanden klare genetische Unterschiede zwischen wilden Stockenten und Farm-Enten in mehreren Ländern Europas. Ebenfalls konnten wir genetische Introgression von Genen der Farm-Enten in die wilde Stockentenpopulation zeigen. Die Vermischung scheint bisher zwar messbar aber noch gering zu sein, da auf Farmen gezüchtete Stockenten in der Wildnis geringe Überlebensraten aufweisen. Dennoch sollte die weitere Einkreuzung von Farm-Enten in die wilden Stockentenpopulationen so gering wie möglich gehalten werden, da durch anhaltende genetische Introgression möglicherweise in Zukunft lokale Anpassungen der wilden Stockenten geschwächt werden, was eine Bedrohung dieser Bestände darstellen könnte.